Darf ich vorstellen: Meine innere Unruhe

Wenn ich mich so umschaue, dann leben die Menschen links und rechts neben mir ihr Leben. Die meisten von ihnen machen das auch genauso, wie ich gedachte meines zu leben. Viele meiner Freunde haben schon geheiratet, haben Kinder oder planen welche, bauen Häuser oder kaufen Wohnungen. Einige gründen Firmen und verwirklichen sich so. Jeder baut sich irgendwie sein Nest und –wie sagt man so schön – settled down! Das ist irgendwie faszinierend für mich und auch beruhigend anzuschauen, dass es immer so weiter gehen wird.

Ich bewundere die Menschen die das können, die einfach so zufrieden sein können. Und ja, ich gebe zu, es gab Zeiten, da habe ich sie beneidet. Mir gewünscht, auch so sein, einfach in dieses Lebensgefüge reinzupassen, wie ein artiges Puzzlestück. Ich habe es so sehr versucht, dass ich mich selbst einfach komplett ignoriert habe. Ich bin immer noch erstaunt,
wie das passieren konnte. Verrückt.
Es hat lange gedauert, bis ich akzeptiert habe, dass jeder Mensch nach unterschiedlichen Werten und Normen lebt und das Jeder für sich selbst entscheiden muss, welche das sind. So wie auch ein Jeder unterschiedliche Antriebe hat, die sich wiederrum noch abwechslungsreicher auswirken. Auch großartig. Wäre sonst ziemlich langweilig.
Mein Antrieb und ein großer Teil von meiner Persönlichkeit ist meine innere Unruhe. Meine Rastlosigkeit. Worte, die lange Zeit für mich negativ behaftet waren. Gefühle, die mir Angst gemacht haben und mich verunsicherten. Waren sie doch verantwortlich, dass es mich nie lange irgendwo gehalten hat. Dass ich immer auf zu neuen Ufern musste. Sei es beruflich oder privat, geografisch oder gefühlsmäßig. Vielen Leute haben mich nicht verstanden, verstehen mich noch immer nicht und ich kann es ihnen nicht verübeln. Brauchte ich doch auch ewig um es anzunehmen.
Am Anfang habe ich diese Ruhelosigkeit immer ignoriert. Aus irgendeinem mir inzwischen unerklärlichen Grund habe ich sie immer als negativ empfunden. Wahrscheinlich nicht verwunderlich. Googlet diese Wörter einmal, da kommen nicht so viele positiv behaftete Themen heraus. Also versuchte ich sie zu überhören und wegzuschauen. Nicht selten habe ich an mir gezweifelt und alles in Frage gestellt. Ich habe die Unruhe solange unterdrückt, bis sie sich soweit in mein Bewusstsein geschlichen hat, dass ich weiter MUSSTE, meistens dann Hals über Kopf und ohne Rücksicht auf Verluste. 

Mittlerweile bin ich schlauer. Ich lebe wie ich möchte. Die meiste Zeit jedenfalls. Inzwischen weiß ich dieses Gefühl der Unruhe zu
schätzen. Es sogar als Geschenk anzunehmen. Hält sie mich doch wach und gibt mir ein Gefühl von Lebendigkeit. Außerdem kommt sie direkt aus meinem Herzen und dem höre ich im Alltag sowieso noch zu selten zu. Ich habe begriffen, dass nicht jeder die gleiche Definition von „settle down“ hat. Dass es auf so viel mehr ankommt.

Ich bin ein Mensch der bewusst leben will, nicht genug bekommt und der ständig auf der Suche nach neuem Futter ist. So treibt mich diese Ruhelosigkeit doch immer wieder an, bringt mich an unterschiedliche Orte, lässt mich wertvolle Erfahrungen machen und macht mich am Ende zu dem was ich bin. Sie hilft mir zu sortieren. Was will ich wirklich. Wo bin ich glücklich. Mit wem möchte ich sein. Sie ist der Garant, dass ich mich nicht selber verlieren werde. Nicht mehr. Und was kann ein größeres Gut sein?

Hat es euch gefallen? Dann teilt es gerne:

5 Comment

  1. Anonym says: Antworten

    Schöner Beitrag! Man muss eben lernen, mit seinen Beeinträchtigungen zu leben 😉

  2. Hallo Sina,
    Du sprichst mir aus der Seele ! Mir geht's seit Jahren so. Es zerreißt Dich. Aber was tun ?

    1. Nachgeben und fühlen was du möchtest. Wir nehmen uns einfach zu wenig Zeit uns selbst zu lauschen. Du musst ja nicht gleich dein ganzes Leben umschmeißen, aber auch Kleinigkeiten summieren sich am Ende. Schau einmal wo bei du dich wohlfühlst, woran du Spaß hast oder was du gerne machen willst!
      Das ist doch ein guter Anfang! 🙂

    2. Hallo Sina,
      das ist zu einfach gedacht. Wenn ich Sachen machen würde, bei denen ich mich wohlfühle oder Spaß habe, dann müsste ich meinen Beruf hinschmeißen, den ich seit knapp 30 Jahren ausübe. Und ich sag Dir eines, ich bin kurz davor, weil ich keinen Bock mehr habe und einfach mal ausbrechen und was anderes machen will. Das hat aber zur Konsequenz, das ich dann meine Familie (2 Kinder, 12 und 15 + Frau die 20 Std./Monat arbeiten geht )nicht mehr ernähren kann, weil ich logischerweise nicht mehr die finanziellen Mittel zur Verfügung habe wie jetzt ! Also,………weitermachen wie bisher. Und das macht mich fertig ! Die Tipps hören sich immer nett an, sind aber nicht immer von jedem umsetzbar ! Man hat schließlich auch Verantwortung und kann nicht immer dem Unangenehmen ausweichen. Das alles schreibe ich dir, da ich im Moment auf Mallorca im Urlaub bin und hier mal etwas zur Ruhe komme um über meine Zukunft nachzudenken !

  3. Auch dieser Beitrag, Sina: Wunderschön!

    Viel zu oft erkennen wir den Wert eines Augenblicks erst dann, wenn er zur Erinnerung geworden ist. Zu viele Menschen laufen jeden Morgen ohne Lächeln im Gesicht zur Arbeit. So, als hätte heute Morgen jeder von ihnen die schwerste Last der ganzen Stadt auf seinen Mundwinkeln zu tragen.

    "Habe ich auch", erklärt mir letztens eine alleinstehende Dame. "Mein Job steht am Spiel. Ich muss die Raten für mein Haus und mein Auto abzahlen." Wieder jemand, der nicht IN einem Haus lebt. – Sondern FÜR ein Haus.

    Der einzige Sinn des Lebens ist leben. Mutig. Neugierig. Lächelnd.
    Tun wir es nicht, lebt das Leben uns.
    Oder vielleicht noch schlimmer: leben andere uns.

Schreibe einen Kommentar